Nachzug der Eltern zu EU-Kindern

Nachzug der Eltern zu EU-Kindern in Deutschland

Wie so oft hängt ein Aufenthaltstitel davon ab, welche Staatsbürgerschaft das in Deutschland lebende Kind hat. Besonderheiten gelten, wenn das Kind die Staatsbürgerschaft eines EU-Landes hat, also einem Mitgliedstaat der europäischen Gemeinschaft.

Nachzug bei Patchwork-Familien, Art. 20 AEUV –

Eltern Afrikaner – aber auch minderjähriges deutsches Kind:

Es geht um den Nachzug eines 40-jährigen ghanischen Staatsangehörigen, der illegal nach Deutschland eingereist war. Seine Lebensgefährtin hat auch die ghanaische Staatsangehörige. Sie leben mit zwei gemeinsamen Kindern (drei bzw. fünf Jahre alt) in Deutschland. Zu ihrem Haushalt gehört auch die siebenjährige deutsche Tochter aus einer früheren Beziehung der Lebensgefährtin, für die diese das alleinige Sorgerecht innehat. Die Lebensgefährtin ist teilzeitbeschäftigt, während er die Kinder versorgt. Seine auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gerichtete Klage hatte bei dem Verwaltungsgericht keinen Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat die Beklagte Behörde hingegen zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) verpflichtet. Aber der Fall ist auch nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts noch nicht entschieden..

Art. 20 AEUV – Unionsbürgerschaft

Die Verweigerung einer Aufenthaltserlaubnis gegenüber einem nachzugswilligen Mitglied einer „Patchwork-Familie“ kann in seltenen Ausnahmefällen einen Verstoß gegen Art. 20 AEUV darstellen (im Anschluss an EuGH, Urteil vom 6. Dezember 2012 – Rs. C-356/11, O. und S.).
Art. 20 Abs. 1 AEUV verleiht jeder Person, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates besitzt, den Status eines Unionsbürgers. Dieser umfasst nach Art. 20 Abs. 2 Satz 2a, Art. 21 AEUV das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten…

Kein faktischer Zwang zur Ausreise für Unionsbürger

Dies gilt auch für minderjährige Unionsbürger. Solange sie sich in einer Situation befinden, die durch eine rechtliche, wirtschaftliche oder affektive Abhängigkeit von Drittstaatsangehörigen bestimmt ist, darf auch durch – insbesondere aufenthaltsrechtliche – Maßnahmen gegen diese nicht bewirkt werden, dass sich der minderjährige Unionsbürger rechtlich oder faktisch gezwungen sieht, das Unionsgebiet zu verlassen. Dabei ist es grundsätzlich unerheblich, ob sich die Maßnahme nur gegen einen Elternteil oder gegen beide Eltern des Unionsbürgers oder gegen andere Bezugspersonen richtet. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Unionsbürger sein Freizügigkeitsrecht bereits ausgeübt hat oder nicht.
Allerdings reicht der bloße Wunsch, die Familiengemeinschaft mit allen Familienangehörigen im Unionsgebiet aufrecht zu erhalten, nicht aus.   …        Lebt er hingegen mit einem sorgeberechtigten Drittstaatsangehörigen zusammen, der über ein Daueraufenthaltsrecht verfügt und eine Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit hat, so spricht dies dagegen, dass eine aufenthaltsrechtliche Maßnahme gegen einen anderen Drittstaatsangehörigen einen unionsrechtswidrigen Zwang zur Ausreise auslösen könnte (vgl. EuGH, Urteile vom 19. Oktober 2004 – Rs. C-200/02, Zhu und Chen – Slg. 2004, I-9925 Rn. 25 ff. m.w. N.).

Minderjährige Unionsbürger in familiärer Lebensgemeinschaft

Lebt der schutzbedürftige minderjährige Unionsbürger in einer „Patchwork-Familie“, so sind die sich aus den Besonderheiten dieser familiären Lebensgemeinschaft ergebenden Umstände in die Betracht zu ziehen.                    … maßgeblich ist, ob der Unionsbürger von dem Drittstaatsangehörigen in finanzieller, rechtlicher oder affektiver Hinsicht abhängig ist. Auch ist es von erheblicher Bedeutung, ob ein faktischer Zwang zur Ausreise den minderjährigen Unionsbürger an der Fortführung eines bestehenden Kontakts zu einem leiblichen Vater oder einer leiblichen Mutter hindert, der bzw. die außerhalb der „Patchwork-Familie“ lebt. Schließlich ist zu berücksichtigten, wer das Sorgerecht für den minderjährigen Unionsbürger innehat und ausübt.

Ein Anspruch auf einen Aufenthaltstitel ergebe sich aus Art. 20 AEUV, weil die Verweigerung eines Aufenthaltstitels dazu führt, dass sowohl seine Lebensgefährtin als auch ihre älteste Tochter R. [= deutsche Staatsangehörige] Deutschland verlassen würden. …

Rechtliches Abhängigkeitsverhältnis

Aber: Zu berücksichten sei,  dass R.s Mutter – die Lebensgefährtin des Klägers – über ein Aufenthaltsrecht verfügt, das wegen seiner Bindung an die Minderjährigkeit R.s einem Daueraufenthaltsrecht gleichkommt und das bereits dieser Umstand der Annahme eines unionsrechtswidrigen faktischen Zwangs zum Verlassen des Unionsgebiets entgegensteht.
Gegen einen solchen Zwang spricht auch, dass die Lebensgefährtin des Klägers das alleinige Sorgerecht für R. innehat, so dass diese jedenfalls nicht in einem rechtlichen Abhängigkeitsverhältnis zum Kläger steht. Schließlich habe das Berufungsgericht festgestellt, dass die Lebensgefährtin des Klägers – nicht aber dieser selbst – durch Erwerbstätigkeit zum Unterhalt der Familiengemeinschaft beiträgt, so dass auch nichts für eine wirtschaftliche Abhängigkeit R.s vom Kläger spricht; Unterhaltspflichten hat er ihr gegenüber nicht, BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 – 1 C 15.12 – BVerwGE 147, 278 = ZAR 2014, 75.

Elternnachzug zu deutschen Kindern in Deutschland
Nachzug der Elten zum ausländischen Kind in Deutschland