Kindernachzug zu Flüchtlingen

Kindernachzug zu Flüchtlingen

Beim Nachzug von Kinder zu ihren geflüchteten Eltern ist darauf zu achten, dass der Antrag auf Kindernachzug rechtzeitig gestellt wird: drei Monate nach Anerkennung des Flüchtlingsstatus.
Bei subsidiär Schutzberechtigten kann die Einreise jedoch erst nach zwei Jahren erfolgen.

Wichtig ist die rechtzeitige Antragsstellung – bis 18!
Minderjähriges Kind zu Flüchtlingseltern –  Nachzug bei Visum

Ein Beispiel:

Ein minderjähriger Sohn, ein Yezide, wurde als Flüchtling (§ 3 Abs. 1 AsylG) anerkannt.
Die Mutter ist bereits Anfang Dezember 2015 nachgezogen. Auch der Vater besaß ein bis zum 31. Dezember 2015 befristetes nationales Visum zum Nachzug zu seinem in Deutschland lebenden Sohn  (§§ 6 Abs. 3, 36 Abs. 1 AufenthG). Der Vater befand sich aber noch mit der minderjährigen Tochter und Antragstellerin in einem Zeltlager im Nordirak.

Nun beantragte die minderjährige Tochter die Erteilung eines Visums zum Nachzug nach § 32 AufenthG.
Grundsätzlich setzen die §§ 29 Abs. 1, 32 Abs. 1 AufenthG voraus, dass derjenige Ausländer (hier die Eltern), zu dem der Nachzug begehrt wird, zumindest eine Aufenthaltserlaubnis hat. Die Eltern hatten jedoch bislang nur ein Visum.

Nationales Visum als Voraufenthalt reicht

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg  entschied am 21.12.2015 im Eilverfahren (OVG 3 S 95.15) aber:

Allerdings ist ein Voraufenthalt im Bundesgebiet nicht zwingend, sondern der Besitz eines nationalen Visums reicht im Hinblick auf § 6 Abs. 3 Satz 2 AufenthG aus, sofern die familiäre Gemeinschaft im Bundesgebiet gelebt werden soll und in Aussicht steht, dass dem Ausländer, zu dem der Nachzug begehrt wird, im Bundesgebiet ein in § 29 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG genannter Aufenthaltstitel erteilt werden wird (vgl. Hailbronner, Aufenthaltsgesetz, Kommentar, § 29 Rn. 5; Marx, in: GK-AufenthG, § 29 Rn. 28 ff., s. auch Ziffer 29.1.2.2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz).

Das Gericht geht von Anwendbarkeit des § 32 Abs. 1 AufenthG aus, da die Eltern wohl nach § 25 Abs. 2 AufenthG  ein Aufenthaltsrecht erlangen könnten. Die Befristung ihres auf § 36 Abs. 1 AufenthG gestützten Visums wäre unerheblich. Die Eltern der Antragstellerin sind auch Yeziden aus dem Raum Mosul im Nordirak, denen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auch die Flüchtlingseigenschaft zuerkennen dürfte. Diese Aussicht auf ein (weiteres) Bleiberecht der Eltern reiche aus.

 

Es ist der minderjährigen Antragstellerin nach einer Ausreise ihres Vaters nicht zumutbar, allein im Nordirak zu bleiben. Ebenso wenig kann von dem Vater verlangt werden, auf seine Ausreise zu verzichten. Soweit sich die Mutter der Antragstellerin bereits seit Anfang Dezember im Bundesgebiet aufhält, steht dies dem Anspruch ebenfalls nicht entgegen, weil, zum einen, beide Eltern (weiterhin) im Besitz eines nationalen Visums sind und zum anderen eine gleichzeitige Einreise auch dann gewahrt ist, wenn ein enger zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 3. Dezember 2008 – 19 B 444/08).


Rechtsanspruch auf Kindernachzug zu Flüchtlingen
  • Stammberechtigter (Flüchtling in Deutschland) mit D-Visum oder Aufenthaltserlaubnis nach 25 Abs. 1 oder Abs. 2 AufenthG: Asylberechtigter; Konventionsflüchtling, subsidiär Schutzberechtigter, Resettlement-Flüchtling.
  • Kinder unter 18 (minderjährig) und unverheiratet (ledig)
  • Pass oder Passersatz
  • Wichtig: Antrag innerhalb von drei Monaten nach Anerkennung des Stammberechtigten
  • Kein Ausweisungsinteresse oder Aufenthaltsverbot – bei Kindern selten.

Nach Ablauf der drei Monatsfrist ist der Kindernachzug eine Ermessensentscheidung!