Famliennachzug nach „Dublin“

Die „Dublin-III Verordnung“ (EU) Nr. 604/2013 regelt, welcher EU-Mitgliedsstaat für die Durchführung eines Asylverfahrens zuständig ist.
Zuständig ist grundsätzlich der Mitgliedsstaat, der die Einreise des Asylbewerbers zugelassen hat (z.B. durch Erteilung eines Visums oder fehlende Verhinderung der illegalen Einreise).
Diese III VO ermöglicht aber auch den Familiennachzug, etwa dann, wenn sich bereits ein Familienmitglied oder Verwandter zum Zeitpunkt der Einreise des Asylbewerbers in einem Mitgliedsstaat der EU aufhält, vgl. Beitrag zur Familiennachzug bei Dublin III

Für die Familienzusammenführung unbegleiteter minderjähriger Antragsteller ist diese Unterscheidung zwischen Familienmitglied und Verwandten von Bedeutung.

Familienangehörige sind
  • der Ehegatte des Antragstellers oder sein nicht verheirateter Partner, der
    mit ihm eine dauerhafte Beziehung führt, soweit nach dem Recht oder
    nach den Gepflogenheiten des betreffenden Mitgliedstaats nicht
    verheiratete Paare ausländerrechtlich vergleichbar behandelt werden wie
    verheiratete Paare,
  • die minderjährigen Kinder des soeben genannten Paares oder des
    Antragstellers, sofern diese nicht verheiratet sind, gleichgültig, ob es sich
    nach nationalem Recht um eheliche oder außerehelich geborene oder
    adoptierte Kinder handelt,
  • bei einem minderjährigen und unverheirateten Antragsteller, der Vater,
    die Mutter oder ein anderer Erwachsener, der entweder nach dem Recht
    oder nach den Gepflogenheiten des Mitgliedstaats, in dem der
    Erwachsene sich aufhält, für den Minderjährigen verantwortlich ist,
  • bei einem unverheirateten, minderjährigen Begünstigten internationalen
    Schutzes, der Vater, die Mutter oder ein anderer Erwachsener, der/die
    entweder nach dem Recht oder nach den Gepflogenheiten des
    Mitgliedstaats, in dem sich der Begünstigte aufhält, für ihn verantwortlich
    ist.                                                                                                                                    Verwandte sind:
  • der volljährige Onkel, die volljährige Tante oder
  • ein Großelternteil des Antragstellers,
  • der/die sich im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhält, ungeachtet
    dessen, ob es sich gemäß dem nationalen Recht bei dem Antragsteller um
    ein ehelich oder außerehelich geborenes oder adoptiertes Kind handelt.

Die Dublin-III-Verordnung erlaubt eine „Familienzusammenführung“, wenn der
Asylbewerber einen Asylantrag stellt und auf die familiären Bindungen
hinweist.

Nachzug für Minderjährige (Art. 8 Dublin III VO)

Sofern es „dem Wohl des Minderjährigen dient“ ist derjenige EU-Mitgliedsstaat für die Durchführung seines Asylverfahrens zuständig, wo sich folgende Personen rechtmäßig aufhalten:

Familienangehörige und/oder Geschwister und/oder Verwandte, falls sie für den unbegleiteten Minderjährigen sorgen können und wollen.
Bei verheirateten Minderjährigen, wenn der Ehepartner sich nicht rechtmäßig im Dublin III Gebiet aufhält: Familienangehörige und/oder Geschwister.

Wenn sich in mehreren Staaten Familienangehörige oder Verwandte
aufhalten, ist der Mitgliedsstaat zuständig, welcher bei Durchführung des
Verfahrens dem Wohl des Kindes am meisten dient.
Falls in keinem Mitgliedsstaat Familienangehörige oder Verwandte des
unbegleiteten Minderjährigen leben, ist der Staat zuständig, wo der
Minderjährige seinen Antrag auf internationalen Schutz bzw. Asyl (zuletzt)
gestellt hat, sofern dies dem Wohl des Kindes dient.

Nachzug für Minderjährige und Erwachsene

Nachzug zu anerkannten international Schutzberechtigten.
Leben in einem Mitgliedsstaat Familienangehörige, die als international
schutzberechtigte Familienangehörige anerkannt wurden, ist dieser Staat
zuständig, wenn dies schriftlich von beiden beantragt wird (Art. 9 VO).
Die Familie muss nicht bereits im Herkunftsland bestanden haben.

Nachzug zu anderen Antragstellern, Art. 10 VO

Leben in einem Mitgliedsstaat Familienangehörige, die internationalen Schutz
beantragt haben, ist dieser Staat zuständig, wenn

  • noch keine erste Entscheidung in der Sache ergangen ist und
  • dies schriftlich von beiden beantragt wird.
Nachzug zu besonders Schutzbedürftigen, Art. 16 Abs. 1 VO

Ist der Antragsteller besonders schutzbedürftig, z.B. wegen
Schwangerschaft, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters und auf
Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder seiner Eltern,
die rechtmäßig in einem Mitgliedsstaat leben, angewiesen oder umgekehrt,
so sollen die Betroffenen zusammengeführt werden, wenn

  • die familiären Bindungen bereits im Herkunftsland bestanden haben,
  • das Familienmitglied in der Lage ist zu unterstützen und
  • beide den Wunsch schriftlich äußern.
Härtefälle, Art. 17 VO

Jeder Staat kann von sich aus seinen „Selbsteintritt“ erklären,
d.h., entscheiden, dass er sich für die Durchführung des Verfahrens auf
internationalen Schutz für zuständig erklärt.

Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen.

Überstellungfrist von 6 Monaten

Sollte der Familiennachzug nicht innerhalb der Überstellungsfrist von 6 Monaten erfolgen, kann ein Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht helfen – Antrag auf einstweilige Anordnung, vgl. den Beitrag zum Beschluss des Verwaltungsgerichts Wiesbaden.