Mit Beschluss vom 11. Januar 2022 entschied das Verwaltugnsgericht Berlin (VG 21 L 640/21 V – Presserklärung des Gerichts): Ausländer, die ein Visum zur Einreise nach Deutschland begehren, müssen zur Klärung der Anspruchsvoraussetzungen grundsätzlich bei der zuständigen deutschen Auslandsvertretung persönlich vorsprechen.
Daher wurde, z. B., der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes einer 26 Jahre alten Frau aus Afghanistan und ihres zweieinhalbjährigen Kindes abgelehnt, die ein Visum zum Nachzug zu ihrem eingebürgerten deutschen Ehemann bzw. Vater begehren.
Die Visumantragsteller registrierten sich im Dezember 2019 auf der Terminwarteliste der Deutschen Botschaft in Kabul und suchten, nachdem sie bis August 2021 noch keinen Termin erhalten hatten, Ende August 2021 beim Verwaltungsgericht Berlin um einstweiligen Rechtsschutz nach.
Sie erhielten einen Vorsprachetermin bei der dann zuständigen Botschaft in Islamabad in Pakistan für Oktober / November 2021 .
Beide Termine konnten die Antragsteller nicht wahrnehmen, weil die Ausreise aus Afghanistan fehlschlug. Sie machen geltend, aufgrund der besonderen Situation in Afghanistan könne von ihnen keine persönliche Vorsprache bei der Botschaft verlangt werden; die von ihnen eingereichten Unterlagen wie Passkopien und Kopien der Eheurkunde müssten ausreichen.
Nach Ansicht des Gerichts setze die Entscheidung über eine Visumerteilung grundsätzlich eine vorherige persönliche Vorsprache der jeweiligen Antragsteller voraus, um die erforderlichen Erkenntnisse insbesondere über deren Identität zu gewinnen. Der Gesetzgeber habe im Aufenthaltsgesetz ausdrücklich bestimmt, dass bei jeder Beantragung eines nationalen Visums zur Feststellung und Sicherung der Identität Fingerabdrücke genommen und Lichtbilder gefertigt werden sollten. Es liege kein Ausnahmefall vor. Mit der bloßen Vorlage von Passkopien könne die Identität nicht hinreichend geklärt werden, zumal das Legalisationsverfahren in Afghanistan ausgesetzt sei. Die lange Wartezeit seit Registrierung auf der Terminwarteliste begründe keine Ausnahme. Diese beruhe auf der besonderen Situation in Afghanistan geschuldeten Kapazitätsengpässen der Auslandsvertretung und nicht auf einem strukturellen Organisationsdefizit. Daran ändere auch die Machtübernahme der Taliban nichts, da eine Vorsprache in Islamabad grundsätzlich möglich sei. Auch das erstrebte Visum könnten die Antragsteller nur nutzen, wenn sie Afghanistan verlassen könnten.
Gegen den Beschluss ist die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zulässig.
Ich – Dr. Buerstedde als Anwalt- hoffe, dass die Beschwerde eingereicht wird. Insbesondere sollte das Auswäritige Amt bzw. die Botschaften daran denken, andere Verfahren zur Identitätsfeststellung anzubieten. So könnten deutsch bzw. ausländisches (amtliche) Hilfskräfte in die Lage versetzt werden, entsprechende Daten aufzunehmen, bzw. alternvative Maßnahmen der Identitätsfeststellung anzubieten.
Nicht nachvollziehbar sind die Ausführungen, dass es sich hierbei nicht um ein strukturelles Orgainisationsdefizit handele. Krisenzeiten sind ständig vorhanden, Krieg, Pandemie, u.a. Seit Jahren sind (fast alle) Botschaften mit der Bearbeitung von Visaanträgen im Rückstand, die Wartezeiten anspruchsbehinderd lang. Die Zahl der Mitarbeiter in den Botschaften wird auch so gut wie nicht aufgestockt.