Mehrehe

Bei einer Mehrehe ist der Ehegattennachzug eines weiteren Ehegatten nicht gestattet, sofern in Deutschland eine eheliche Lebensgemeinschaft bereits besteht (§ 30 Abs. 4 AufenthG).

Die Ausländerbehörde prüft vor Erteilung eines Aufenthaltstitels bei einer Mehr- oder Doppelehe, ob eine wirksame (Mehr)-Eheschließung zwischen dem hier aufhältlichen und dem nachzugswilligen Ehegatten der Zweitehe vorliegt.
Dabei wird zu klären sein:

  • welches Recht gilt für die Fragen, ob eine (Mehr-) Ehe wirksam zustandegekommen ist?
  • welchen Wirkungen unterliegt die (Mehr-)Ehe?
  • war eine vorherige Scheidung wirksam erfolgt?

Die Beantwortung dieser Fragen erfolgt nach dem sog. internationalen Privatrecht. Soweit keine bilateralen oder multilateralen völkerrechtlichen Vereinbarungen maßgeblich sind, die gemäß Art. 3 Abs. 2 EGBGB Vorrang genießen, sind konkret die Art. 13, 14 bzw. 17 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 EGBGB heranzuziehen.

Anwendbares Ehe- u. Scheidungsrecht bei Deutschen

Bei deutschen Staatsangehörigen gilt, dass Eheschließung, Wirkung der Ehe sowie die Scheidung sich grundsätzlich nach deutschem Recht richten.
Im Falle einer  zweiten Eheschließung eines deutschen Staatsangehörigen nach vorangegangener Scheidung, jeweils im Ausland, gilt: Nach Art. 17 Abs. 1 i.V.m. Art. 14 EGBGB unterliegt eine Scheidung im Ausland dem Recht, welches im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags für die allgemeinen Wirkungen der Ehe maßgebend ist. Ist zumindest ein Ehegatte deutscher Staatsangehörigkeit, ohne zugleich auch die Staatsangehörigkeit des Staates, in dem die Scheidung erfolgte, zu besitzen, so wird die Scheidung nur anerkannt, wenn die zuständige Landesjustizverwaltung festgestellt hat, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung vorliegen (Art. 7 § 1 Abs. 1 Familienrechtsänderungsgesetz – FamRÄndG).

Der Ausländer wird dann von der Ausländerbehörde häufig aufgefordert werden (Mitwirkungspflicht gem. § 82 Abs. 1 AufenthG) sich die Scheidung anerkennen zu lassen. Eine solche Anerkennung ist bei sogenannten Privatscheidungen (Verstoßung durch bloße Erklärung des einen Teils, der dann lediglich
noch durch ein – zumeist religiöses – Gericht bestätigt wird, grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. § 1564 BGB)). Die Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung vorliegen, ist für  die Ausländerbehörde und Auslandsvertretung bindend (Art. 7 § 1 Abs. 8 FamRÄndG).

Erste Scheidung – dann weitere Ehe: Verbot der Mehrehe

Ist ein deutscher Staatsangehöriger zum Zeitpunkt seiner zweiten Eheschließung noch nicht rechtskräftig geschieden gewesen, wird die zweite Eheschließung aufenthaltsrechtlich nicht anerkannt. An der rechtskräftigen Scheidung kann es mangeln, wenn die Auslandscheidung nicht anerkannt wurde. Das ergibt sich aus dem Verbot der Mehrehe (§ 1306 BGB und § 172 StGB). Zwar ist die zweite Ehe nicht nichtig, sondern gemäß § 1314 Abs. 1 BGB lediglich aufhebbar. Sie bleibt allerdings auch aufhebbar, wenn die erste Ehe später durch  Scheidung aufgehoben wird und kann auch nicht durch Fortsetzung der Zweitehe geheilt werden, so dass den Betroffenen nur eine erneute Eheschließung bleibt. Eine solche, jederzeit -auf Antrag eines der Partner, des Ehegatten der Erstehe oder der zuständigen Verwaltungsbehörde- aufhebbare Ehe fällt schon auf Grund der rechtlichen Unbeständigkeit nicht unter den Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG. Sie kann damit nicht zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis führen (vgl. § 27 Abs. 1 AufenthG sowie VGH Baden-Württemberg vom 21.08.07 – 11 S 995/07).

Anerkennung der Zweitehe

Die zweite Eheschließung ist anzuerkennen, wenn eine Aufhebung der Ehe nicht mehr in Betracht kommt. Etwa, wenn die erste Ehe durch eine Scheidung nach deutschem Recht aufgehoben worden ist oder eine Auslandsscheidung anerkannt worden ist.
Dann bleibt die Ehe zwar gemäß § 1314 Abs. 1 BGB aufhebbar, eine gerichtliche Aufhebung könnte aber auch über die Fälle des Aufhebungsausschlusses gemäß § 1315 Abs. 2 Nr. 1 BGB in der Regel nicht mehr erfolgen. Dann fehlt nämlich ein rechtliches Interesse an der Aufhebung der zweiten Ehe nach der wirksamen Scheidung der ersten Ehe (vgl. BGH, Urteil vom 09.01.2002 – XII ZR 58/00-).

Ansicht der Ausländerbehörde Berlin

Solange eine nach deutschen Recht wirksame Scheidung nicht erfolgt ist, kann die aufhebbare Ehe kein Aufenthaltsrecht vermitteln.
Nach Ansicht der Ausländerbehörde in Berlin greift auch nicht der Umkehrschluss aus § 30 Abs. 4 AufenthG, wonach zwar eine zivilrechtliche gültige Mehrehe nunmehr grundsätzlich schützenswert und damit aufenthaltsrechtlich auch beachtlich ist. Anders würde nach Ansicht der Behörde § 30 Abs. 4 AufenthG als eine den Ehegattennachzug ausschließende Regelung keinen Sinn machen. Hier sei aber auch zu sehen, dass § 30 Abs. 4 AufenthG schon nach seinem Wortlaut lediglich bei einem Ehegattennachzug zu Ausländern nicht aber zu deutschen Staatsangehörigen oder anderen Unionsbürgern zur Anwendung kommt.

Diese Auslegung werde nach Ansicht der Behörde auch durch die Gesetzesbegründung gestützt, wonach der Gesetzgeber mit § 30 Abs. 4 AufenthG bewusst nur den Ehegattennachzug zu Ausländern regeln wollte. Ausweislich der Begründung zu § 30 Abs. 4 solle mit der Vorschrift lediglich die zwingende Vorgabe des Art. 4 Abs. 4 1. Unterabsatz der Familiennachzugsrichtlinie (RL 2003/86/EG) umgesetzt werden. Danach ist im Fall einer Mehrehe der Nachzug eines weiteren Ehegatten nicht zu gestatten, wenn bereits ein Ehegatte gemeinsam mit dem Zusammenführenden im EU-Mitgliedsstaat lebt. Zusammenführender ist gem. Art. 2 a) und c) Familiennachzugsrichtlinie, aber nur der sich im Mitgliedstaat aufhaltende Drittstaatsangehörige, nicht der Deutsche oder Unionsbürger. Folgerichtig verweise auch § 28 Abs. 1 AufenthG ausschließlich auf die Neuregelung des § 30 Abs. 1, nicht aber auf die des § 30 Abs. 4 AufenthG.
Für eine analoge Anwendung des § 30 Abs. 4 auf den Ehegattennachzug zu Deutschen oder Unionsbürgern besteht nach alldem schon mangels einer Regelungslücke kein Raum.
Diese Ausführungen entstammen den Anwendungshinweisen zum AufenthG zu § 30 AufenthG vom 3.3.2015.