Rechte für Mehrstaatler – Deutsche und Unionsbürger

Auch für Deutsche – mit einem weiteren EU-Pass  – gilt Unionsrecht

Die deutschen Ausländerbehörden schauen zunächst nur auf den deutschen

Nachzug zu Unionsbürger

Pass. In einigen Bereichen werden Deutsche ausländerrechtlich sogar schlechter behandelt als freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger!

Beim Ehegattennachzug zu einem Deutschen ist beispielsweise grunsätzlich der Nachweis deutscher Sprachkenntnisse (A1) erforderlich; bei Unionsbürgern aber nicht.

Doppelstaatler (Deutscher und Staatsbürgerschaft eines weiteren EU-Mitgliedstaates) genossen kein Freizügigkeitsrecht in Deutschland.

Urteil des Europäischen Gerichtshof – Recht als Unionsbürger

Dies sieht der Europäische Gerichtshof (EuGH) nun anders (Urteil v. 14. November 2017, C-165/16) Danach sollen Deutsche, die noch eine andere Unionsbürgerschaft besitzen, gegenüber sonstigen Unionsbürgern nicht mehr benachteiligt werden und genießen die Rechte aus der Unionsbürgerschaft.

Die Entscheidung betraf eine spanische Staatsangehörige, die 1996 zum Studium in das Vereinigte Königreich kam. Sie hielt sich seitdem dort auf und arbeitet seit September 2004 in Vollzeit. Sie erwarb 2009 erwarb durch Einbürgerung die britische Staatsbürgerschaft und behielt ihre spanische Staatsangehörigkeit.

Im Jahr 2013 begann sie eine Beziehung zu einem algerischen Staatsangehörigen, der am 20. Januar 2010 mit einem auf sechs Monate befristeten Besuchervisum in das Vereinigte Königreich eingereist war und seinen Aufenthalt über diesen Zeitraum hinaus rechtswidrig verlängerte. Beide heirateten. 2014 beantragte der Algerier eine Aufenthaltskarte, die ihm nach der Entscheidung des EuGH zunächst von den britischen Behörden vorenthalten wurde.

Erleichtere Familiennachzug nach Freizügkeitsrecht

Der Familiennachzug müsste daher künftig für Deutsche, die auch eine weitere Staatsbürgerschaft eines der EU-Mitgliedsländer hat, den Familiennachzug nach § 2 Abs. 4 S. 2 EU-Freizügigkeitsgesetz herbeigeführt werden können.

Sollte bereits die Eheschließung erfolgt sein, dürfte jedenfalls die Erteilung eines Visums dann nicht gefordert werden, wenn sie bereits eine Aufenthaltskarte nach Art. 10 Unionsbürgerrichtlinie besitzt. Die Aufenthaltskarte wird Ehegatten von freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern erteilt.

Der Familienbegriff ist beim Freizügigkeitsgesetz weiter als nach dem deutschen Aufenthaltsgesetzt, so dass auch Kinder bis 21 aber auch vor allem Eltern erleichtert nachziehen können.

Ehegattenachzug zu Deutschen

Ehegattennachzug zu Unionsbürgern

Studie zum Familiennachzug

Überblick über Voraussetzung des Familiennachzugs

Frau Janne Grote, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, hat eine Studie zu den Voraussetzungen des Familiennachzugs erstellt: „Fokusstudie der deutschen nationalen Kontaktstelle für das Europäische Migrationsnetzwerk (EMN)

Sie erfasst auch Unterstützungsleistungen nach der Einreise sowie mögliche Ausschlusskriterien für den Nachzug von Ehe- und Lebenspartnern, Kindern, Eltern und sonstigen Familienangehörigen.
Die Voraussetzungen für den Familiennachzug unterscheiden sich je nach Aufenthaltsstatus der aufnehmenden Person, aber auch hinsichtlich des Verwandtschaftsgrades der nachzugswilligen Angehörigen.

Kernvoraussetzung des Familiennachzugs

Grob gibt es fünf Kernvoraussetzungen: Die aufnehmende Person muss

Betsäule Deutschherrenst. 37 in Bad Godesberg
Flucht aus Ägypten

über einen gültigen Aufenthaltstitel  (bzw. deutsche Staatsbürger sein) verfügen, ausreichenden Wohnraum und Krankenversicherungsschutz für sich und die nachziehenden Familienangehörigen vorweisen sowie den Lebensunterhalt sichern können. Darüber hinaus müssen in der Regel bestimmte „Integrationsleistungen“ vor und/oder nach dem Nachzug erfüllt werden (z. B. Nachweis über Deutschkenntnisse). Beim Ehe- bzw. Lebenspartnernachzug müssen die Partnerinnen und Partner wiederum in der Regel mindestens 18 Jahre alt sein.

Ausnahmen von Anforderung für den Nachzug

Für einzelne Personengruppen kann beim Familiennachzug von bestimmten Voraussetzungen abgesehen werden oder ist von diesen abzusehen. Dies gilt beispielsweise für die Lebensunterhaltssicherung, von der bei Resettlement-Flüchtlingen, Asylberechtigten, anerkannten Geflüchteten sowie subsidiär Schutzberechtigten abzusehen ist bzw. abgesehen werden kann.

Einschränkugnen des Familiennachzugs

Einschränkungen beim Familiennachzug gelten derzeit für subsidiär Schutzberechtigte. Für diejenigen, denen nach dem 17. März 2016 eine Aufenthaltserlaubnis als subsidiär Schutzberechtigte erteilt wurde, wurde der Familiennachzug bis zum 16. März 2018 ausgesetzt; ein Nachzug während dieser Phase ist nur in Einzelfällen und aus völkerrechtlichen oder dringenden humanitären Gründen möglich. Ein Familiennachzug wird desweiteren nicht zugelassen, wenn feststeht, dass es sich um eine Schein- oder Zwangsehe bzw.Schein- oder Zwangspartnerschaft handelt. Auch der Nachzug zu vollziehbar Ausreisepflichtigen wird nicht gewährt.

EU-Familienzusammenführungsrichtlinie – Kritik des UNHCR

EU-Familienzusammenführungrichtlinie – Kritik des UNHCR

Der UNHCR (United Nations High Commissioner for Refugees) :hat die Eu-Familienzusammenführungsrichtlinie im Sept. 2005 kritisiert – hier Auszüge:

UNHCR begrüßte, dass die Richtlinie insgesamt weniger Beschränkungen für die Familienzusammenführung von Flüchtlingen im Vergleich zu Migranten vorsehe. Zum Beispiel müssten Flüchtlinge weder eine eigene Unterkunft noch eine Krankenversicherung oder ein regelmäßiges Einkommen nachweisen.
Allerdings könnten diese Vorbedingungen zur Geltung kommen, wenn ein Flüchtling es versäumt, seinen Antrag auf Familienzusammenführung innerhalb von drei Monaten nach seiner Anerkennung zu stellen.

Daher: Rechtzeitig Antrag stellen – Familiennachzug bei Flüchtlingen

UNHCR bedauert jedoch, dass einige EU-Staaten restriktive Maßnahmen für Migranten auch Flüchtlingsfamilien treffen. So könne eine Familienzusammenführung aus Gründen der öffentlichen Ordnung, inneren Sicherheit und Gesundheit verweigert werden, sagte UNHCR-Europadirektor Raymond Hall. „Das Problem ist, dass vor allem der Begriff „öffentliche Ordnung“ sehr vage ist und so sehr leicht dazu führen könnte, Familien ohne stichhaltige Begründung den Nachzug zu verweigern“.

Enger Famiilienbegriff

Die Richtlinie enthält auch eine sehr enge Definition der Familieneinheit. Sie erlaubt es den Mitgliedstaaten, die für eine Zusammenführung vorgesehenen Familienmitglieder auf den Ehegatten und die minderjährigen Kinder zu beschränken. Nach der Direktive sind die EU-Staaten hingegen nicht verpflichtet, volljährigen Kindern, den Eltern erwachsener Flüchtlinge oder anderen, auf diese vollkommen angewiesenen engen Verwandten, den Nachzug zu erlauben.

Altersbschränkung bei Ehegatten

Zudem enthält die Richtlinie eine Vorschrift, nach der Flüchtlinge und Migranten nicht automatisch berechtigt sind, mit ihren Ehegatten vereinigt zu werden – es sei denn, beide Ehepartner sind über 21 Jahre alt. Dies bedeutet potenziell, Ehepartner zu trennen, die vielleicht nicht nur jahrelang verheiratet sind, sondern darüber hinaus gemeinsame Kinder haben.

erschwerter Zugang zum Arbeitsmarkt

UNHCR kritisiert darüber hinaus die Regelung, nach der Familienmitgliedern von anerkannten Flüchtlingen nach erfolgter Zusammenführung „abhängig von der Situation auf dem Arbeitsmarkt“ bis zu einem Jahr eine Erwerbstätigkeit verweigert werden kann.

Keine Regelung zu subsidär geschützten Flüchtlingen

Schließlich zeigte sich UNHCR enttäuscht darüber, dass die neue Richtlinie keine Rechte für Menschen vorsieht, denen subsidiärer Schutz (z.B. menschenrechtliche Abschiebungshindernisse) gewährt worden ist. Dieser Status sollte ähnlich dem eines anerkannten Flüchtlings sein. Er wird Menschen verliehen, die im rechtstechnischen Sinne nicht die engen Voraussetzungen der Genfer Flüchtlingskonvention erfüllen. Dies gilt vor allem für den Nachweis, eine individuelle Verfolgung befürchten zu müssen, für die der Hinweis auf die allgemeine Gewalt oder Kampfhandlungen eines Bürgerkrieges in ihrem Heimatland nicht ausreicht.

UNHCR ist der Auffassung, dass für Menschen, die des internationalen Schutzes bedürfen, grundlegende Behandlungsstandards gelten sollten. Dazu gehört das Recht, mit der Familie leben zu dürfen – unabhängig von der Tatsache, ob jemand als Flüchtling anerkannt ist oder Schutz unter einem alternativen Status erhalten hat.

„Wir sehen keine Rechtfertigung dafür, Menschen von den Regelungen der Richtlinie auszuschließen, die unter subsidiärem Schutz stehen“, sagte Hall. „Oft haben diese Menschen dieselben harten Schicksalsschläge erlitten wie Flüchtlinge“.

Beispiel – subisdiär geschützte benachteiligt

Ein Beispiel zur Illustration: Ein Bosnier, der in einem EU-Mitgliedsland formell Asyl erhalten hat, weil er in seinem Heimatland Anfang der 90er Jahre gezielt verfolgt wurde, ist berechtigt, seine Familie in ein EU-Mitgliedsland nachziehen zu lassen. Wer vor dem Beschuss der belagerten Städte wie Sarajevo und Goradze in der EU Zuflucht suchte und einen subsidiären Schutzstatus erhielt, hat hingegen nach der neuen EU-Richtlinie kein Recht auf eine Familienzusammenführung.

Familienzusammenführungsrichtlinie

Unterhaltssicherung beim Nachzug

Die Familienzusammenführungsrichtlinie soll auch die Zusammenführung von Familienangehörigen fördern, die keine EU-Bürger sind. Eine wichtige Voraussetzung ist die Sicherung des Lebensunterhalts: So wird regelmäßig nachzuweisen sein:

  • ausreichender Wohnraum,
  • eine Krankenversicherung
  • Einkünfte (keine Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen  für seinen eigenen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen).

Die EU-Mitgliedstaaten dürfen einen Antrag auf Familienzusammenführung ablehnen oder ggf. den Aufenthaltstitel eines Familienangehörigen entziehen oder seine Verlängerung verweigern, wenn die in der Richtlinie festgelegten Bedingungen nicht oder nicht mehr erfüllt sind.
Der Gerichtshof entschied in einem Nachzugfall nach spanischem Recht, ob die Behörde auch ein Prognoseentscheidung über die künftige Unterhaltssicherung treffen könne (müsse). Auch nach deutschen Aufenthaltsrecht trifft die Ausländerbehörde eine Prognoseentscheidung über die künftige Unterhaltssicherung.

Nach spanischem Recht darf eine Aufenthaltserlaubnis zur Familienzusammenführung nicht erteilt werden, wenn zweifelsfrei festgestellt wird, dass keine Aussicht auf eine Beibehaltung der finanziellen Mittel des Zusammenführenden im Laufe des ersten Jahres nach dem Tag der Antragstellung besteht. Bei der Beurteilung, ob eine solche Aussicht besteht oder nicht, sind die finanziellen Mittel des Zusammenführenden in den letzten sechs Monaten vor dem Tag der Antragstellung zu berücksichtigen.

Der Europäische Gerichtshof (Urteil vom 21. April 2016; C‑558/14) bestätigte die Vereinbarkeit des spanischen Rechts mit der Richtlinie zur Familienzusammenführung: eine prognostische Prüfung der Einkünfte ist möglich / nötig.

Auch die spanische Regelung, nach der die Prognose über die künftigen Einkünfte auf der Grundlage der Einkünfte des Zusammenführenden in den letzten sechs Monaten vor dem Tag der Antragstellung erfolgen müsse, sei mit der EU-Richtlinie konform.

Info für Flüchtlingshelfer