Änderung beim Familiennachzug – Sprachanforderungen, Identitäsnachweis

Mit Erlass vom 12.04.2021 informiert das Bundesinnenministerium (BMI) über Änderungen beim Familiennachzug.

So enthält der Erlass Hinweise zu den
Auswirkungen des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 17.12.2020 (1 C 30.19) zu den Ausnahmen vom Ausschluss des Familiennachzugs
zu subsidiär Schutzberechtigten, wenn die Ehe erst nach der Flucht geschlossen wurde, vgl. Beitrag hierzu.


Härtefallregelung des § 30 Abs. 1 S. 3 Nr. 6 AufenthG in Bezug auf die Unmöglichkeit der Einhaltung der Sprachanforderungen beim Ehegattennachzug.

Wie bisher wird im Fall des § 30 Abs. 1 S. 3 Nr. 6 AufenthG zwischen Möglichkeit und Zumutbarkeit Seite 3 von 4 des Spracherwerbs und Möglichkeit und Zumutbarkeit des Nachweises der Sprachkenntnisse differenziert.
Für den Fall nicht nur kurzfristiger pandemiebedingter Einschränkungen der Spracherwerbsmöglichkeiten im Drittstaat (Schließung Sprachschulen, Reisebeschränkungen usw.) wurde der
bisherige Richtwert wonach dem ausländischen Ehepartner nur zumutbare Bemühungen zum Spracherwerb und Sprachnachweis abverlangt werden, die den zeitlichen Rahmen von einem
Jahr nicht überschreiten, auf sechs Monate reduziert. Generell ist zur Berechnung vom Entscheidungszeitpunkt auszugehen und entsprechend zurückzurechnen, wobei Zeiten, in denen sich der
Drittstaatsangehörige beim Ehegatten im Bundesgebiet aufgehalten hat, um die deutsche Sprache zu erlernen, nicht anzurechnen sind.

Regelbeispiel über die alternative Glaubhaftmachung von Identität, Staatsangehörigkeit und Verwandtschaftsverhältnis beim Familiennachzug zu eritreischen Schutzberechtigten sowie von Uiguren und anderen chinesischen Minderheiten, wenn ein Nachweis mit amtlichen Urkunden,nach § 82 AufenthG, im Einzelfall nicht möglich ist.
Bei Eritreerinnen soll künftig vermehrt eine alternative Glaubhaftmachung vorgenommen werden,wenn eine Nachforderung als von vornherein unmöglich bzw. unzumutbar angesehen werden kann oder aufgrund des bisherigen Zeitablaufs eine baldige Beibringung der amtlichen Dokumente nicht zu erwarten ist oder ein weiteres Nachfordern eine unzumutbare Härte darstellen würde.
Bei Angehörigen der uigurischen Minderheit und anderen verfolgten
chinesischen Minderheiten erfolgt bereits dann,wenn Anhaltspunkte bestehen, dass eine Beschaffung amtlicher Dokument unzumutbar sein könnte, seitens zuständiger Auslandsvertretungen eine Prüfung im Rahmen der alternativen Glaubhaftmachung.

BMI – Erlass: M3-21002/1#65 (12.04.2021)

Ehegattennachzug bei Ehe nach der Flucht

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat mit Urteil vom 17.12.2020 (Pressemeldung Nr. 78/2020 vom 17.12.2020) entschieden, dass der Ehegattennachzug zu einer in Deutschland anerkannten
Person nicht ausgeschlossen ist, wenn die Ehe erst nach der Flucht im Ausland geschlossen wurde (Az.: 1 C 30.19).

Entscheidend für die Beurteilung sei, ob dem Ehepaar eine längere Trennung zuzumuten ist; „besonderes Gewicht“ habe dabei das Wohl gemeinsamer Kleinkinder.

Aus den Entscheidungsgründen (Rn. 35) zur Frage, ob ein Härtefall vorliegt:

Als private Interessen sind in die Abwägung einzustellen unter anderem das Ausmaß, in dem das Familienleben bei einer Versagung des Zuzugs tatsächlich unterbrochen würde, das Ausmaß der Bindungen im Bundesgebiet wie auch im Herkunftsstaat bzw. in einem aufnehmenden Drittstaat, insbesondere die Dauer des Aufenthalts der jeweiligen Familienangehörigen, der aufenthaltsrechtliche Status, eine etwaige wirtschaftliche, soziale, kulturelle und sprachliche Integration im Bundesgebiet und das Bestehen etwaiger (unüberwindbarer) rechtlicher oder tatsächlicher Hindernisse für ein Leben der Familie in ihrem Herkunftsland oder in einem aufenthaltsgewährenden Drittland.

Maßgeblich ist, ob die Einreise in das Bundesgebiet im Ergebnis das angemessenste Mittel zur Entwicklung des Familienlebens ist.

Sind minderjährige Kinder betroffen, so ist deren Wohl in den Mittelpunkt der Überlegungen zu stellen und vorrangig zu berücksichtigen. Zu den insoweit besonders zu beachtenden Umständen zählen deren Alter, ihre Situation in dem Aufenthaltsland und das Ausmaß, in dem sie von ihren Eltern abhängig sind .

Einzustellen ist überdies, ob und unter welchen Umständen ein Elternteil unwiderruflich beschlossen und bewusst entschieden hat, seine Familienangehörigen im Herkunftsland oder in einem aufnehmenden Drittstaat zurückzulassen, inwieweit dadurch jede Absicht auf zukünftige Familienzusammenführung aufgegeben worden ist, sowie ob das Familienleben zu einer Zeit begründet wurde, zu der den beteiligten Personen bekannt war, dass die Aufnahme wegen des Aufenthaltsstatus des Stammberechtigten von Beginn an unsicher war.

Erfolgte die Ausreise aus begründeter Furcht vor Verfolgung so ist dem Ausländer die Trennung von seiner Familie nicht entgegenzuhalten. Entsprechendes hat zu gelten, wenn das Verlassen des Herkunftslandes oder des aufnehmenden Gastlandes in der begründeten Befürchtung erfolgte, anderenfalls ernsthaften Schaden zu nehmen.

Corona-Situation nach Ländern

Die baden-württembergische Asyldokumentation erstellt mehrmals die Woche den Corona-Tracker mit öffentlich zugänglichen Links zur Lage in unterschiedlichen Ländern.

Er stellt keine „Erkenntnismittelliste“ zur Einführung in einen Asylprozess dar, sondern dient ausschließlich der vereinfachten Suche von Quellen für alle Verfahrensbeteiligten.

https://verwaltungsgericht-freiburg.justiz-bw.de/pb/j1153033,Lde/Startseite/Service/Corona-Tracker

aktueller Corona-Tracker

Merkblatt: Neugeborene Kinder syrischer Staatsangehörigkeitin der Türkei –Einbindung in das Verfahren zur Familienzusammenführung

Häufig dauern die Verfahren der Familienzusammenführung lange.

Während dieser Zeit werden auch Kinder geboren. Diese sollten dann in das laufende Verfahren der Familienzusammenführung der Mutter einbezogen werden.

Geflüchtete aus Ländern eines bewaffneten Konflikts, die das Verfahren auf Familienzusammenführung zu einem Angehörigen in Deutschland nicht in ihrem Herkunftsland betreiben können, benötigen in dieser Situation auch für das Neugeborene Dokumente, damit das Kind ebenfalls ein Visum erhalten kann.

Das Merkblatt des Deutschen Roten Kreuzes gibt hierzu Hinweise.

Familienasyl : Nachzug zum -nunmehr – vollährigen Kind

Mit Urteil vom 13.03.20 (14 A 2778/17.A) hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster entschieden: Ein Anspruch auf Familienasyl besteht nicht, wenn ein als Flüchtling anerkanntes Kind zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht mehr minderjährig ist.

Es ging um die Eltern und die Schwester eines als Flüchtlings anerkannten Syrers, denen zwar subsidiärer Schutz zugesprochen, aber deren Klage auf Flüchtlingsanerkennung unter dem Gesichtspunkt des internationalen Schutzes für Familienangehörige abgelehnt wurde.

Die Voraussetzungen auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sei nicht gegeben , da der Sohn beziehungsweise Bruder zum Zeitpunkt der Gerichtsverhandlung bereits volljährig war. Das Gesetz sehe zwei Ausnah-meregelungen vor, in denen bei der Frage der Minderjährigkeit auf den Zeitpunkt der Asylantragstellung abzustellen sei. Im vorliegenden Fall handele es sich jedoch nicht um einen solchen Ausnahmefall, sondern um ein „beredtes Schweigen“ der Gesetzgeberin, das eine Ausdehnung der Schutzvorschriften auf die Konstellation des Familienasyls nicht zulasse.

In seiner Entscheidung verneinte das Gericht zudem erneut die hinreichende Wahrscheinlichkeit politischer Verfolgung bei Syrerinnen, die sich dem Wehrdienst entzogen haben; es gäbe keine tatsächlichen Indizien dafür, dass syrischen Wehrdienstentzieherinnen eine regimekritische Haltung unterstellt werde.

https://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2020/14_A_2778_17_A_Urteil_20200313.html