EU-Familienzusammenführungsrichtlinie – Kritik des UNHCR

EU-Familienzusammenführungrichtlinie – Kritik des UNHCR

Der UNHCR (United Nations High Commissioner for Refugees) :hat die Eu-Familienzusammenführungsrichtlinie im Sept. 2005 kritisiert – hier Auszüge:

UNHCR begrüßte, dass die Richtlinie insgesamt weniger Beschränkungen für die Familienzusammenführung von Flüchtlingen im Vergleich zu Migranten vorsehe. Zum Beispiel müssten Flüchtlinge weder eine eigene Unterkunft noch eine Krankenversicherung oder ein regelmäßiges Einkommen nachweisen.
Allerdings könnten diese Vorbedingungen zur Geltung kommen, wenn ein Flüchtling es versäumt, seinen Antrag auf Familienzusammenführung innerhalb von drei Monaten nach seiner Anerkennung zu stellen.

Daher: Rechtzeitig Antrag stellen – Familiennachzug bei Flüchtlingen

UNHCR bedauert jedoch, dass einige EU-Staaten restriktive Maßnahmen für Migranten auch Flüchtlingsfamilien treffen. So könne eine Familienzusammenführung aus Gründen der öffentlichen Ordnung, inneren Sicherheit und Gesundheit verweigert werden, sagte UNHCR-Europadirektor Raymond Hall. „Das Problem ist, dass vor allem der Begriff „öffentliche Ordnung“ sehr vage ist und so sehr leicht dazu führen könnte, Familien ohne stichhaltige Begründung den Nachzug zu verweigern“.

Enger Famiilienbegriff

Die Richtlinie enthält auch eine sehr enge Definition der Familieneinheit. Sie erlaubt es den Mitgliedstaaten, die für eine Zusammenführung vorgesehenen Familienmitglieder auf den Ehegatten und die minderjährigen Kinder zu beschränken. Nach der Direktive sind die EU-Staaten hingegen nicht verpflichtet, volljährigen Kindern, den Eltern erwachsener Flüchtlinge oder anderen, auf diese vollkommen angewiesenen engen Verwandten, den Nachzug zu erlauben.

Altersbschränkung bei Ehegatten

Zudem enthält die Richtlinie eine Vorschrift, nach der Flüchtlinge und Migranten nicht automatisch berechtigt sind, mit ihren Ehegatten vereinigt zu werden – es sei denn, beide Ehepartner sind über 21 Jahre alt. Dies bedeutet potenziell, Ehepartner zu trennen, die vielleicht nicht nur jahrelang verheiratet sind, sondern darüber hinaus gemeinsame Kinder haben.

erschwerter Zugang zum Arbeitsmarkt

UNHCR kritisiert darüber hinaus die Regelung, nach der Familienmitgliedern von anerkannten Flüchtlingen nach erfolgter Zusammenführung „abhängig von der Situation auf dem Arbeitsmarkt“ bis zu einem Jahr eine Erwerbstätigkeit verweigert werden kann.

Keine Regelung zu subsidär geschützten Flüchtlingen

Schließlich zeigte sich UNHCR enttäuscht darüber, dass die neue Richtlinie keine Rechte für Menschen vorsieht, denen subsidiärer Schutz (z.B. menschenrechtliche Abschiebungshindernisse) gewährt worden ist. Dieser Status sollte ähnlich dem eines anerkannten Flüchtlings sein. Er wird Menschen verliehen, die im rechtstechnischen Sinne nicht die engen Voraussetzungen der Genfer Flüchtlingskonvention erfüllen. Dies gilt vor allem für den Nachweis, eine individuelle Verfolgung befürchten zu müssen, für die der Hinweis auf die allgemeine Gewalt oder Kampfhandlungen eines Bürgerkrieges in ihrem Heimatland nicht ausreicht.

UNHCR ist der Auffassung, dass für Menschen, die des internationalen Schutzes bedürfen, grundlegende Behandlungsstandards gelten sollten. Dazu gehört das Recht, mit der Familie leben zu dürfen – unabhängig von der Tatsache, ob jemand als Flüchtling anerkannt ist oder Schutz unter einem alternativen Status erhalten hat.

„Wir sehen keine Rechtfertigung dafür, Menschen von den Regelungen der Richtlinie auszuschließen, die unter subsidiärem Schutz stehen“, sagte Hall. „Oft haben diese Menschen dieselben harten Schicksalsschläge erlitten wie Flüchtlinge“.

Beispiel – subisdiär geschützte benachteiligt

Ein Beispiel zur Illustration: Ein Bosnier, der in einem EU-Mitgliedsland formell Asyl erhalten hat, weil er in seinem Heimatland Anfang der 90er Jahre gezielt verfolgt wurde, ist berechtigt, seine Familie in ein EU-Mitgliedsland nachziehen zu lassen. Wer vor dem Beschuss der belagerten Städte wie Sarajevo und Goradze in der EU Zuflucht suchte und einen subsidiären Schutzstatus erhielt, hat hingegen nach der neuen EU-Richtlinie kein Recht auf eine Familienzusammenführung.

Familienzusammenführungsrichtlinie

Unterhaltssicherung beim Nachzug

Die Familienzusammenführungsrichtlinie soll auch die Zusammenführung von Familienangehörigen fördern, die keine EU-Bürger sind. Eine wichtige Voraussetzung ist die Sicherung des Lebensunterhalts: So wird regelmäßig nachzuweisen sein:

  • ausreichender Wohnraum,
  • eine Krankenversicherung
  • Einkünfte (keine Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen  für seinen eigenen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen).

Die EU-Mitgliedstaaten dürfen einen Antrag auf Familienzusammenführung ablehnen oder ggf. den Aufenthaltstitel eines Familienangehörigen entziehen oder seine Verlängerung verweigern, wenn die in der Richtlinie festgelegten Bedingungen nicht oder nicht mehr erfüllt sind.
Der Gerichtshof entschied in einem Nachzugfall nach spanischem Recht, ob die Behörde auch ein Prognoseentscheidung über die künftige Unterhaltssicherung treffen könne (müsse). Auch nach deutschen Aufenthaltsrecht trifft die Ausländerbehörde eine Prognoseentscheidung über die künftige Unterhaltssicherung.

Nach spanischem Recht darf eine Aufenthaltserlaubnis zur Familienzusammenführung nicht erteilt werden, wenn zweifelsfrei festgestellt wird, dass keine Aussicht auf eine Beibehaltung der finanziellen Mittel des Zusammenführenden im Laufe des ersten Jahres nach dem Tag der Antragstellung besteht. Bei der Beurteilung, ob eine solche Aussicht besteht oder nicht, sind die finanziellen Mittel des Zusammenführenden in den letzten sechs Monaten vor dem Tag der Antragstellung zu berücksichtigen.

Der Europäische Gerichtshof (Urteil vom 21. April 2016; C‑558/14) bestätigte die Vereinbarkeit des spanischen Rechts mit der Richtlinie zur Familienzusammenführung: eine prognostische Prüfung der Einkünfte ist möglich / nötig.

Auch die spanische Regelung, nach der die Prognose über die künftigen Einkünfte auf der Grundlage der Einkünfte des Zusammenführenden in den letzten sechs Monaten vor dem Tag der Antragstellung erfolgen müsse, sei mit der EU-Richtlinie konform.

Wohnsitzauflage für subsidiär Schutzberechtigte

In Deutschland wird die Aufenthaltserlaubnis für Personen, die den Status eines subsidiär Schutzberechtigten haben, häufig mit der Auflage verbunden, den Wohnsitz in einem räumlich begrenzten Bereich zu nehmen (Wohnsitzauflage).

Den Status der subsidiär Schutzberechechtigten ergibt sich aus der EU-Anerkennungsrichtlinie 2011/95/EU. Sie gibt den EU-Mitgliedstaaten ein Mindestniveau von Leistungen und Rechten vor. Hierzu gehört auch die Bewegungsfreiheit von Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, unter den gleichen Bedingungen und Einschränkungen wie anderen aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen (Art. 33 Anerkennungs-RL).

In Deutschland kann gemäß § 12 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz in Verbindung mit der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz vom 26. Oktober 2009 eine Aufenthaltserlaubnis, die aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen erteilt wird, mit einer wohnsitzbeschränkenden Auflage verbunden werden, wenn der Berechtigte Sozialhilfeleistungen bezieht.
Wegen Art. 26 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) kommen Wohnsitzauflagen für anerkannte Flüchtlinge nur in Betracht, wenn sie aus migrations- oder integrationspolitischen Interessen erforderlich sind.

Wohnsitzauflage nach dem Europäischen Gerichtshof

Der Europäische Gerichtshof (Urteil vom 1. März 2016 C-443/14 und C-444/14) hat nun geklärt, unter welchen Voraussetzung eine Wohnsitzauflage für subsidiär Schutzberechtigte möglich ist, bzw. eben nicht.
Die Wohnsitzauflage beschränke den Schutzberechtigten in seinem Freizügigkeitsrecht nach Art. 33 Anerkennungs-RL.
Der Gerichtshof übernimmt dabei den Freizügigkeitsbegriff der Genfer Flüchtlingskonvention, wonach diese sich nicht nur frei bewegen dürften, sondern  auch das Recht haben, den Aufenthaltsort frei zu wählen.
Eine Wohnsitzauflage bedarf einer besonderen Rechtfertigung.
Das Ziel einer angemessenen Verteilung öffentlicher Soziallasten zu verfolgen, reicht für eine Wohnsitzauflage nicht aus, da sonst eine Ungleichbehandlung im Verhältnis zu anderen aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen entstehe.
Somit dürfte die bisherige deutsche Praxis der Wohnsitzauflage gemeinschaftswidrig sein.
Etwas anderes könnte gelten, wenn das Ziel der Auflage die Erleichterung der Integration der Betroffenen ist. Aber auch dann wäre die Frage der Diskriminierung im Verhältnis zu anderen Drittstaatsangehörigen zu prüfen.

Diejenigen Schutzberechtigten, die von der Wohnsitzauflage betroffen sind, sollten die Streichung der Auflage bei der Ausländerbehörde fordern.

Hinweise zur neuem 12a AufenthG – Wohnsitzauflage für Flüchtlinge ab dem 1. Januar 2016.

Familiennachzug behindert: Visanträge Syrien

Nach einer Pressemitteilung  von PRO ASYL vom 7. April 2016 wird der „Familiennachzug wird systematisch behindertjedenfalls sehenden Auges durch die Bundesregierung hingenommen. Einige der folgenden Ausführungen der Pressemeldung sind auch aus den Erzählungen meiner Mandanten bestens nachvollziehbar.

Syrer können einen Visumsantrag in Syrien nicht stellen, sondern müssen dies in den Nachbarländern tun.
Die Bearbeitung der Visumsanträge erfolgt sehr schleppend und nur bei wenigen Auslandsvertretungen, die für die Betroffenen nur schwer zu erreichen sind.
Die für viele Flüchtlinge leichter erreichbare deutsche Auslandsvertretung in Erbil/Nordirak stellt beispielsweise nur Geschäftsvisa aus, keine Visa für den Familiennachzug.
Familienangehörige warten viele Monate oder sogar mehr als ein Jahr auf ihre Termine bei den deutschen Außenvertretungen in der Türkei, in Jordanien und im Libanon. Allein in Beirut beträgt die Wartezeit auf einen Termin mindestens 14 Monate. Dort gab es Ende Dezember 2015 bereits 6.000 feststehende Termine für Anträge auf Familienzusammenführung für insgesamt ca. 18.000 Personen. Auch in der Türkei beträgt die Wartezeit für einen Termin derzeit mindestens 14 Monate.

Zudem hat die Türkei für Syrer, die über Drittländer einreisen, eine Visumspflicht eingeführt. So stecken nun Tausende von Flüchtlingen an der syrisch-türkischen Grenze fest. Weil ein Visum für die Türkei nicht oder nicht zeitnah beschafft werden kann, verfallen Termine, auf die die Familienangehörigen monatelang gewartet haben.

Mit ähnlichen Schwierigkeiten kämpfen Angehörige von Syrern, die Termine für die Visumantragstellung zwecks Familienzusammenführung über die deutsche Botschaft in Jordanien gebucht haben. Nach Jordanien kann die nachziehende Person nur einreisen, wenn dem Antrag auf Einreise seitens des jordanischen Innenministeriums zugestimmt wird. Eine solche Einreisegenehmigung wird in etlichen Fällen verweigert. Nachdem das Sechs-Millionen-Einwohner zählende Jordanien bereits rund 1,2 Millionen syrische Flüchtlinge aufgenommen hat, müssen Tausende von Flüchtlingen in der Wüste vor der Grenze verharren und sind ausgesperrt.

Von ProAsyl als Anhang zur Presseerklärung: Beispiele.

Das Deutsche Rote Kreuz bleibt dran und versucht, in Gesprächen mit dem Auswärtigen Amt den Familiennachzug zu verbessern, so ein weitere Meldung von Pro Asyl.

Info des Auswärtigen Amtes zum Familiennachzug: Info für den Nachzug von syrischen Flüchtlingen

Tipps zur Familienzusammenführung über die Türkei hinterlegt beim Flüchtlingsrat Niedersachsen als PDF-Datei.

 

erleichterte Visa für Erdbeben-Opfer –

Der Informationsverbund Asyl & Migration hat in einem Artikel vom 09.03.2023 wichtige Informationen des Auswärtigen Amtes zu den Visaverfahren für vom Erdbeben betroffene türkische und syrische Staatsangehörige zusammengetragen. Außerdem wird auch über die durch das Land Berlin eingeführte Verfahrenserleichterung für den Familiennachzug durch den Erlass einer sogenannten Globalzustimmung für die Erteilung von Visa zur Familienzusammenführung informiert.

Aufenthaltsgestattung – elektronischer Aufenthaltstitel

Wird das Asyl gewährt, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt bzw. ein anderweitiger subsidiärer Schutzstatus verliehen, so ist grundsätzlich ein elektronischer Aufenthaltstitel zu erteilen. Dies erfolgt durch die Bundesdruckerei in Berlin.
Bis die Ausländerbehörde die Daten dorthin übermittelt und der elektronische Titel ausgestellt wird, können Wochen und Monate vergehen. Für Handyverträge, Banken, Ämter u.a. muss man aber seine Identität nachweisen können.

Wie soll sich der – nun anerkannte – Schutzsuchende ausweisen?

Folgendes Vorgehen wird empfohlen:

  1. Nachweis durch (abgelaufende) Aufenthaltsgestattung (mit Foto) und
  2. eine von der örtlichen Ausländerbehörde ausgestellten (nicht abgelaufenen) Fiktionsbescheinigung (ohne Foto).

Auf diese Weise sollte ein ausreichender Identifikationsnachweis für andere Ämtern und Banken erreicht werden.